Back on Stage 16/17 goes Hollywood

Videos zu machen ist für Jugendliche mittlerweile nichts Besonderes. Jedes Smartphone eignet sich heute für kurze Filmaufnahmen, technisches Wissen ist dabei nicht von Nöten. Auch die einst so beliebten Camcorder waren technisch niederschwellig und so manche Menschen wurden im Urlaub zu Filmemacher_innen. Aktuell sind im Hobbybereich kompakte Spiegelreflexkameras „State of the Art“. Sie erzeugen beeindruckend hochauflösendes Filmmaterial und mit ihnen lassen sich auch professionelle Fotos machen.

Doch wie funktionieren die richtig großen und anspruchsvollen Filmkameras? Was bedeutet Tiefenschärfe und wie schreibt man eigentlich ein Drehbuch?
Diese und ähnliche Fragen setzten in unserer Einrichtung die Initialzündung für eine Reihe von Videoprojekten. 

Steady, Set, Action!

Eines unserer aktuellsten Projekte ist „Vienna Drill“. Es erzählt die Geschichte eines jungen Rappers auf der Suche nach musikalischer Anerkennung. Sein Weg führt ihn ins Tonstudio von Back On Stage 16/17, wo es ihm jedoch nicht gelingt einen Song nach seinen Vorstellungen umzusetzen. Doch durch den Support der dortigen Jugendarbeiter_innen schafft er es, seinen kreativen Ideen Form und Struktur zu verleihen. 

Ziel des Projekts war es jedoch nicht die Geschichte an sich zu erzählen, sondern technisches Wissen bezüglich Kameraführung zu erlernen. Dafür stellte ich meine private Cinema-Kamera zur Verfügung, um die Herausforderungen einer Filmkamera nachvollziehend simulieren zu können.

Und das Erste was den Jugendlichen auffiel: So eine Filmkamera ist schwer! Dagegen tummeln sich Smartphones ja in der Federgewichtsklasse. Doch nicht nur das Gewicht wirkte furchteinflößend, auch die schier endlosen Möglichkeiten das Bild durch Belichtungszeit, ISO-Wert und Schärfensetzung zu gestalten.

Die Handhabung dieser Filmkameras ist ein zweischneidiges Schwert – einerseits hat man eine sehr genaue Kontrolle über die Bildgestaltung, anderseits vermisst man in manchen Situationen die Möglichkeit einfach die Autofunktionen aktivieren zu können. Umso größer war dann die Freude der Jugendlichen, wenn ihnen schöne Filmaufnahmen gelangen.

Ton ist die wichtigste Ebene im Film

Wie bei all unseren Filmprojekten verzichteten wir auch hier darauf, den Ton aufzuzeichnen. So konnten wir ausgiebig in die Welt der Synchronisation eintauchen. Die Aufgabe der Jugendlichen war es, den Dialog der Handlung im Tonstudio lippensynchron nachzusprechen. Dabei lernten sie auf Dinge wie Sprechgeschwindigkeit, Betonung und Intonation zu achten, ja damit sogar bewusst zu spielen. Sie gaben quasi ein Schauspiel von Stimme und Sprache vor dem Mikrofon.

Die Arbeit im Tonstudio gestaltete sich immer wieder zeitaufwendig. Ständig neue Szenen mit unterschiedlichen Inhalten und Emotionen aufzunehmen und sie in der richtigen Energie zu präsentieren, brauchte sehr viel Geduld und Konzentration. Es war beeindruckend zu erleben, wie einige Jugendliche diese Eigenschaften tief in sich erkämpften.

Ein weiteres Highlight der Tongestaltung war das Kreieren von eigenen Soundeffekten. Mit allen Hilfsmitteln, die uns spontan unterkamen und dem Mut Dinge auszuprobieren, die im ersten Moment vielleicht keinen Sinn ergaben, schufen wir einen Weg, die Umgebung kreativ zu nutzen.

Als nächstes: Der Schnitt

Um die Synchronisation überhaupt punktgenau aufnehmen zu können und die Soundeffekte einzubetten, benötigten wir immer den fertig geschnittenen Film. Auch hier ging es uns darum, das technische Know-how mit möglichst professionellen Tools zu erlernen. Deshalb entschieden wir uns für die kostenlose Software DaVinci Resolve, die momentan bei Indie-Filmstudios und sogar in Hollywood sehr beliebt ist. Mit dem Slogan „Wer mit DaVinci schneiden kann, kann mit jeder Software schneiden“ konnte ich die Jugendlichen rasch dafür begeistern, sich damit auseinanderzusetzen.

Erstaunlich schnell kamen die Kids mit dem Schnittprogramm zurecht und gestalteten grundlegende Teile der Filmprojekte autonom – und das alles nach nur einem Basic-Nachmittags-Crash-Kurs.

Der Schnitt ist meistens eine Schnipselarbeit, vor allem wenn man Musikvideos umsetzen möchte. Die kurz aneinandergereihten „Takes“ erfordern viel Fingerspitzengefühl, wenige Millisekunden entscheiden, ob gewisse Passagen stimmig aufgehen oder eine ungewollte Irritation erzeugen. Umso größer war die Freude der Jugendlichen, wenn es ihnen gelang das richtige Gefühl für solche Sequenzen herzustellen. Gänsehautstimmung machte sich dann im Raum breit, Freudenschreie und das Gefühl einer inneren Verbundenheit als Team. Das sind die Momente, die die Jugendlichen lieben. Momente, die als Motivation dienen und die sie durch die langwierigen, teilweise herausfordernden Schnitte tragen.  

Doch ein Film ist nur so gut wie seine Geschichte. Auch wenn es oft nicht möglich war ein Drehbuch zu schreiben, haben wir doch immer die Zeit gefunden, ausgiebig zu brainstormen oder unsere Gedanken rudimentär zu Papier zu bringen.

Bei einigen Projekten war es uns jedoch ein Anliegen, den Plot sehr genau zu planen. Mit Hilfe der „Walt Disney Methode“ arbeiteten wir dann die einzelnen Sequenzen aus. Diese Methode besteht aus drei Positionen: Kreation, Kritik und Realisation. So hatten alle Jugendlichen die Möglichkeit ihre Ideen und Bedenken gleichwertig einzubringen. Zusätzlich ließen wir Raum für allerlei Improvisation während des Schauspielens. 

Andere Kurzfilmprojekte wiederum entstanden mit Hilfe einer Drehbuchsoftware. Wir verwendeten die Freeware Kit Scenarist (https://kitscenarist.ru/en/download.html). Bei „Die fabelhafte Welt von Said“ arbeiteten die Jugendliche den Plot nach der klassischen Erzählstruktur der Heldenreise aus und lernten dabei mit vorgegebenen Strukturen umzugehen. So entstanden die Ideen mal strukturiert, mal spontan-improvisiert. Immer jedoch war die Kreativität der Jugendlichen erstaunlich vielfältig und der wichtigste Bestandteil bei der Entwicklung der Geschichten.

Es ist berührend, welche Entwicklungsprozesse bei einzelnen Jugendlichen stattgefunden haben, wie sehr sie ihr Können von Projekt zu Projekt erweitert haben und daran gewachsen sind. Nicht nur in Gesprächen wird mir das immer wieder bewusst, auch ihre Körperhaltung und ihr Auftreten spiegeln den gewachsenen Selbstwert und ihr Selbstvertrauen wider. Auch wenn wir uns am Ende immer sehr über die fertigen Produkte freuen, das wahrhaftigste Produkt ist der Entwicklungsprozess der Jugendlichen. Und genau das ist die Geschichte, die ich hier erzählen wollte.

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Aimen „Shino“ Seghaier, Back on Stage 16/17

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